Hauptsächlich deshalb, weil ich die Angewohnheit habe, viel über Dinge, die ich liebe, zu sprechen. Wenn ich zum Beispiel eine neue Buch- oder Filmreihe entdecke, muss ich unbedingt allen davon erzählen und "missionieren". Da sich mein nichtmuslimisches Umfeld allerdings langweilt, wenn ich über den Islam spreche, konnte ich meine Gedanken und Gefühle nie "rauslassen". Und da ich den Islam am meisten liebe, ist das sehr, sehr blöd. Mit meinem Blog kann ich der Liebe zum Islam Ausdruck verleihen.
2. Wen möchtest du mit deinem Blog erreichen?
Am liebsten wäre es mir, wenn sich meine Familienmitglieder, Bekannte und Freunde für das Blog interessieren würden. Denn ich möchte, dass sie verstehen, wieso ich den Islam so liebe, vielleicht kann ich sie ja "anstecken". Ich mag es außerdem, einfach auf mein Blog verweisen zu können, wenn ich gefragt werden, wieso ich zum Islam konvertiert bin - denn ich kann es natürlich nicht in 10 Sekunden zusammenfassen. Ich denke aber, dass bei fast niemandem, den ich kenne, wirkliches Interesse besteht. Also denke ich mir "Dann eben für Fremde im Internet und mich selbst". Zielgruppe ist quasi jeder, der sich für den Islam interessiert - ob Nichtmuslim oder Muslim -, oder herausfinden möchte, ob die Aussagen von Islamkritikern stimmen (ich sammel sehr gerne Widerlegungen).
3. Ist dein Blog für dich eine Gelegenheit, dich näher mit deinem Glauben zu beschäftigen?
Ja, da ich es wie gesagt eröffnet habe, weil ich keinen Gesprächspartner habe. Wenn ich Artikel veröffentliche, ist das für mich so, als hätte ich ein sehr gutes Gespräch hinter mir. Das macht mir Spaß.
4. Denkst du, dass dein Blog hilft deinen Glauben anderen näher zu bringen?
Voraussetzung dafür ist immer, dass ein Interesse bei einer Person besteht. Aber dann ja, da ich extrem viele Gedanken und Gefühle veröffentliche. Durch das Ausmaß wird vielleicht wenigstens etwas verständlich.
5. Was bedeutet der Begriff Da’wa für dich?
"Dawa", der "Ruf zum Islam", bedeutet für mich nicht nur das professionelle Missionieren von Nichtmuslimen oder nicht praktizierenden Muslimen, sondern auch das kleinste bisschen Einsatz für den Islam, den es gibt, und sei es ein fünfminütiges Gespräch mit einer älteren Dame in einem Wartezimmer. Dawa bedeutet für mich, immer im Hinterkopf zu behalten, dass ich durch mein Kopftuch zwangsläufig als Repräsentantin des Islams betrachtet werde und mich deshalb auf die beste Weise verhalten muss.
6. Siehst du Da’wa als verpflichtend für jeden Moslem, egal ob Mann oder Frau, an?
Dem Argument einiger Muslime, nur Gelehrte seien fähig zu Dawa, halte ich diesen Spruch von Pierre Vogel entgegen: Um zu jemandem zu sagen "Hey, komm doch mal mit uns in die Moschee (statt in die Spielhalle)", muss man keinen fünfstündigen Vortrag über das Erbrecht im Islam halten können.
Unabhängig davon, wie man den Ruf zum Islam definiert, kann ich ihn ohne islamrechtliche Beweise, die ich nicht habe, nicht zur Pflicht erklären.
Allerdings ist es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass man als Muslim lernt, den Islam zu verteidigen (was auch in die Kategorie "Dawa" fällt), nicht nur deshalb, weil man als Muslim oft als offizieller Islamsprecher betrachtet wird - ich sag nur ISIS -, sondern auch aus dem einfachen Grund, dass man der professionellen Islamhetze etwas entgegnen können sollte.
Ich halte es auch für wichtig, dass sich muslimische Frauen öffentlich gegen die Vorurteile über die Frau im Islam positionieren. Ein schlichtes "Ich fühle mich nicht unterdrückt" ist sehr hilfreich.
7. Was bedeutet für dich Frausein im Islam?
Christliche Missionarinnen schreiben sehr gerne fälschlicherweise feministische Errungenschaften des Säkularismus dem Christentum zu. Um herauszufinden, ob eine Religion die Frau ehrt oder nicht, schaue ich gerne, wie die Frau in den religiösen Quellen und in der Gründungszeit einer Religion betrachtet wurde. Besonders an den Aussagen von christlichen und muslimischen Gelehrten über Frauen bin ich interessiert. Und da sehe ich auch einen großen Kontrast - siehe: http://www.derperfekteislam.de/2015/02/die-stellung-der-frau-in-judentum.html.
Frausein im Islam sein bedeutet für mich, dass mein Wert als Mensch genauso groß ist wie der eines Mannes. Dazu habe ich ja auch einen Artikel geschrieben: http://www.derperfekteislam.de/2014/08/die-gleichwertigkeit-von-mann-und-frau.html. Dort sind entsprechende Quranverse oder Hadithe zu sehen, z. B. "Frauen sind die Zwillingshälften der Männer" (Quelle dort). Im Islam wurde nie darüber diskutiert, ob Frauen eine Seele haben. Oder ob sie echte Menschen sind oder ob sie halbe Männer sind. "Noch bis ins 19. Jahrhundert wurde in der Theologie, aber auch in den Wissenschaften und der Politik darüber debattiert, ob Frauen als Menschen zu gelten haben oder nicht und wenn ja, ob sie „vollwertige“ Menschen seien oder nur eine minderwertige Sonderform." - de.wikipedia.org/wiki/Menschenbild
Es bedeutet, dass sich meine Rechte, Pflichten und Verbote nur zu etwa 15 % von denen eines Mannes unterscheiden. Bei diesen 15 % wirkt es manchmal so, als sei der Mann im Nachteil (sehr große finanzielle Verpflichtung, Wehrdienst, Goldverbot, Seideverbot), und manchmal die Frau (Frauen erben die Hälfte, Frauen dürfen keine 4 Männer heiraten), doch der Erschaffer von Mann und Frau hat diese wenigen unterschiedlichen Regelungen geschaffen, weil Mann und Frau nun einmal nicht identisch sind.
Sehr interessant finde ich die Debatte darüber, dass die Frau grundsätzlich die Hälfte ihres Bruders erbt. Meistens wird das nicht länger als frauenfeindlich betrachtet, wenn man an die finanziellen Verpflichtungen von den Männern denkt. Frauen dürfen jeden Cent ihres eigenen Geldes für Nagellack ausgeben. Jeden Cent. Nicht einmal für die Kinder müssen sie etwas ausgeben. Viele denken sich dann: "Ach ja, stimmt!" - Aber ist dieses Gebot Gottes, das Erbrecht, erst dann nicht länger frauenfeindlich, nachdem wir es verstanden haben? Nein.
Wie sehr Gott einen liebt hat nichts mit dem Geschlecht zu tun.
8. Worin siehst du die Hauptrolle einer muslimischen Frau?
Die Hauptrolle einer muslimischen Frau unterscheidet sich nicht von der eines muslimischen Mannes: dem einzigen Gott dienen.
Die Art und Weise, wie Mann und Frau Gott dienen, ist wie gesagt nur in wenigen Punkten nicht gleich. So dient der Mann beispielsweise Gott, in dem er sich an das Gebot hält, seine Familie zu ernähren. Die muslimische Frau hat also nicht die Rolle einer Versorgerin. Da wäre es ja unfair, wenn nicht auch sie eine Aufgabe hätte. Dem Status der Mutter wird im Islam viel Wert beigemessen, und ich sehe darin auch etwas Heiliges. Es gibt meiner Ansicht nach nichts weiblicheres, als Kinder zu lieben und sich um sie zu kümmern.
Gegen eine Karriere spricht jedoch nichts, solange der Ehemann einverstanden ist (was man auch als Bedingung in den Ehevertrag schreiben darf, da man laut vielen Gelehrten grundsätzlich alles reinschreiben kann, was man will). Manche Muslime denken beim Begriff "Karrierefrau" leider an Samantha aus "Sex and the City". Die erste Ehefrau des Propheten Muhammad, Chadidscha, war jedoch eine erfolgreiche Geschäftsfrau, wie viele wissen. Eine der Namen, mit der sie bekannt war, war "al-Tahira", "die Reine". Sie beweist, dass Tugendhaftigkeit nichts damit zu tun hat, ob man berufstätig ist oder nicht. Genauso wenig wird man im Islam das Vorurteil finden, dass Hausfrauen faul seien wie Peggy Bundy aus "Eine schreckliche nette Familie". Die Frau muss selbst entscheiden, was sie möchte: Wie viele Kinder, berufstätig ja oder nein, usw. Und sich dann einen Ehemann suchen, der ihre Ansichten teilt.
Gegen Bildung spricht auch nichts (siehe Artikel: http://www.derperfekteislam.de/2017/04/weltliche-bildung-auch-fur-frauen-im.html).
Und die Frau ist nicht verpflichtet dazu, den Haushalt zu machen oder den Mann zu bedienen. Das sagen nur sehr wenige Gelehrte.
Ich persönlich finde: Jeder Mensch sollte gebildet sein, also auch Frauen. Auf welche Weise man Bildung erlangt, ist egal. Berufstätig sollten Frauen meiner Meinung nach jedoch nur dann sein, wenn sie es gerne wollen - nicht, weil sie sonst verarmen würden. Denn für das Geld ist der Mann da.
9. Denkst du, dass es im religiösen Kontext Themen gibt, mit denen sich Frauen nicht beschäftigen sollten? Welche wären das? Oder gibt es im religiösen Kontext Themen, mit denen sich jede muslimische Frau auf jeden Fall beschäftigen sollte.
Auch nach langem Nachdenken: Beides nein. Ich sehe keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern in dieser Hinsicht.
10. Glaubst du das Internet muslimischen Frauen neue Möglichkeiten eröffnet (z.B. um sich mit anderen Gläubigen auszutauschen, sich weiterzubilden usw.) ohne dabei das Haus verlassen zu müssen? Wie siehst du das Internet in diesen Zusammenhang?
Ich bin ein großer Fan des Internets. Wenn man aus religiösen Gründen nicht oft das Haus verlassen möchte, kann man da natürlich aus dem Internet viel Nutzen ziehen. Ich glaube, der Prophet Muhammad wäre begeistert, wenn er wüsste, dass man sich islamische Vorträge bei YouTube anschauen kann.
Und wer die Geschlechtertrennung streng interpretiert, kann durch die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts sogar Bildung durch Fernschulen (Abitur oder Studium) erlangen. Und wer Englisch spricht, kann den Islam bei der Islamic Online University studieren.
Ich denke, das Internet bietet außerdem vor allem Konvertitinnen die Möglichkeit, sich mit anderen Gläubigen auszutauschen, wenn man im persönlichen Leben (fast) niemanden kennt.
11. Identifizierst du dich mit einer bestimmten Strömung, einer bestimmten Rechtsschule des Islams? Falls ja, welche ist das? Falls nein, wie würdest du dein Islamverständnis selber beschreiben (z.B liberal, konservativ usw.)
Ich gehöre zu der Art von Muslimen, die überall den Mittelweg suchen möchten. Beim Thema Gelehrte bedeutet das zum Beispiel, dass es eine Tatsache ist, dass diese mehr Wissen hatten und haben als "normale" Muslime. Wenn die vier Rechtsschulen des Islams in einer Sache Konsens hatten, dann ist es unmöglich, dass alle falsch lagen. Natürlich kann man auch einer einzelnen folgen.
Dennoch sollte man aufpassen, dass man nicht zu einer Art katholischen Muslim wird, indem man einzelnen Menschen blind folgt, so wie es bei Sufis oft der Fall ist. Es gilt: "Quran und Sunnah sagen" - und nicht "Aber mein Sheikh/mein Hodscha/meine Oma hat gesagt". Außerdem sollte man nicht andere Muslime herabwürdigen, wenn diese einer anderen legitimen Meinung folgen. Die Aussage "Ich bete nicht hinter dir, weil du die Arme beim Gebet anders hältst als ich" ist ein Beispiel für das übertriebene Folgen von Rechtsschulen. (Man kann allerdings nicht oft genug betonen, dass es beim Konsens in den vier Rechtsschulen unmöglich ist, dass alle falsch lagen. Denn alle davon hatten Quran und Sunna als Quellen. Der Konsens der vier Rechtsschulen ist die Grundlage, auf der wir uns als Muslime befinden müssen.)
Diese Ansicht ist eine der Ansichten der Strömung der Salafiyya, zu der ich mich nicht nur deshalb zugehörig fühle, sondern auch aus dem Grund, weil meine Lieblingsgelehrten ihr zugehörig waren und weil ich der Salafiyya in Bezug auf Erneuerungen im Gottesdienst (wenn der Prophet sich nicht wild im Kreis gedreht hat, dann bringt dich das Wild-im-Kreis-Drehen nicht näher zu Gott) und den Eigenschaften Gottes zustimme: http://rebeccalovesnightsky.tumblr.com/post/148640793947/hast-du-dich-von-anfang-an-als-salafi
Ein Muslim darf den Islam nicht modernisieren oder an das 21. Jahrhundert anpassen so wie man es mit dem Christentum getan hat - insofern bin ich "konservativ". Das hat allerdings nichts mit der Salafiyya zu tun, wie es Medien und Verfassungsschutz die ganze Zeit suggerieren, sondern ist Konsens. Die Unterschiede zwischen Salafis/Salafiten und anderen Muslimen sind sehr klein und liegen in Themen, die für Nichtmuslime gähnend langweilig sind.
Angesichts der theologischen und rechtlichen Meinungsverschiedenheiten im (sunnitischen, also wahren) Islam ist zu sagen: Verglichen mit dem Konsens sind sie sehr klein. Deshalb plädiere ich immer dafür, sich auf die Gemeinsamkeiten statt auf die Unterschiede zu konzentrieren. Das ist für mich Geschwisterlichkeit.
12. Wurden deine religiösen Kenntnisse schon mal auf Grund deines Geschlechts angezweifelt?
Nein, und ich kann mir so etwas schwer vorstellen.
13. Seit wann führst du deinen Blog?
Seit August 2014.
14. Wie sind die Reaktionen auf deinen Blog?
Es gibt wenige Reaktionen in Form von Kommentaren, allerdings nur positive. Ich habe keine Ahnung, wo die Islamkritiker stecken. Am meisten freue ich mich, wenn mir Nichtmuslime schreiben, dass es sie interessiert, was ich schreibe.
15. Wie groß ist die Reichweite deiner Seite? (monatliche Besuche deiner Website)
Nicht sehr groß. Vom 06.07.2017 – 04.08.2017 waren es 1507 in Deutschland (28 in Österreich), doch davon sind bestimmt ein paar von mir selbst, da das Abstellen der eigenen Seitenaufrufe nicht funktioniert hat.
16. Fällt dir sonst noch etwas ein, dass du gerne loswerden willst?
Ich liebe Diskussionen über jene Themen, die Nichtmuslime in Bezug auf den Islam oft interessieren: Terrorismus, Stellung der Frau im Islam, usw. Das alles interessiert mich sehr, aber ich finde es schade, dass die Essenz des Islam, der Monotheismus, Nichtmuslime nicht so interessiert. Der Eingottglaube, der Tauhid, hat mich nicht nur als Mensch, sondern auch als Frau gerettet - denn der Tauhid rettet uns vor emotionaler Abhängigkeit von anderen Menschen, also auch Männern. Yasmin Mogahed beleuchtet das Thema sehr oft: http://www.derperfekteislam.de/2016/02/buchempfehlung-auf-englisch-reclaim.html
Der Grund für die Erschaffung der Frau war nicht, damit sie heiratet oder damit sie Kinder kriegt. Der Grund für die Erschaffung des Mannes war nicht, dass er Geld verdient und Häuser baut. Der einzige Grund für die Erschaffung des Menschen war: "Und Ich habe die Ǧinn und die Menschen nur darum erschaffen, damit sie Mir dienen." (Quran 51:56) - Das eben aufgezählte sind lediglich einige der vielen Mittel, um dies zu tun.
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