18.11.2020

Buchempfehlung: "Der Islam als Alternative" von Dr. Murad Hofmann

 


211 Seiten


Beschreibung:

Ein spannendes Plädoyer für den Islam als alternativer Lebensweise - auch für uns im Westen. Gehalten von einem juristisch wie philosophisch geschulten Muslim, der fest auf dem Boden des klassischen Islam steht und als deutscher Diplomat vor Ort intimer Kenner der arabischen Welt ist. Um Brücken zu schlagen, packt er jedes heiße Eisen an, aus dem das alte und das neue Feindbild  >>Islam<< unter Europäern geschmiedet wurde. Ein provozierendes, wichtiges Buch zum Erfassen der wahren Dimension einer uns nahen und doch so fremden Religion, die das Leben einer Milliarde Menschen, darunter eine stetig wachsende Zahl Deutscher, bestimmt. Biografie: Murad Wilfried Hofmann, geboren 1931, promovierter Jurist, arbeitete 33 Jahre im diplomatischen Dienst, zuletzt als deutscher Botschafter in Algerien und Marokko. Heute bereist er als vielgefragter Vortragender vor allem Westeuropa, die USA und muslimische Staaten. Dr. Hofmann konvertierte 1980 zum Islam und veröffentlichte seither zahlreiche Aufsätze und Bücher über interkulturelle und -religiöse Themen.


Mehr über Dr. Murad Hofmann:


Dieses Jahr im Januar verstarb der faszinierende, inspirierende Murad Hofmann, nachdem er vierzig Jahre lang Muslim war. رَحِمَهُ ٱللَّٰهُ‎


Meine Meinung:


Dieses Buch stammt aus dem Jahr 1992 und ist somit 28 Jahre alt, doch davon merkt man nichts. Die typischen Vorurteile gegenüber dem Islam - Terrorismus und die Rolle der Frau - waren schon damals weit verbreitet. Es ist definitiv auch für heutige Leser empfehlenswert, weil es den Islam auf wenigen, sich schnell lesenden Seiten, erklärt. Wie man am Inhaltsverzeichnis oben sehen kann, werden viele interessante Themen angeschnitten. Durch diese gute Mischung ist dieses Buch hier ein Muss für Nichtmuslime, meiner Meinung nach.

Schaut unbedingt bei der eben verlinkten Wikipedia-Seite für eine Zusammenfassung seiner Thesen vorbei.

Er hat viele interessante Gedankengänge in diesem Buch veröffentlicht. Zum Beispiel:

- das Risiko, durch eine Fehlinterpretation der islamischen Regel "Das Rechte gebieten und das Unrechte verbieten" zu einem Volk "der Tugendwächter, Spitzel und 'Vigilanten' zu werden

- wie genau der westliche Menschenrechtskodex vom islamischen abweicht

- dass der Koran für die Bestrafung von Ehebruch schier Unerfüllbares einfordert (die Bedingungen, wonach jemand bestraft werden kann)

- und vieles mehr


"Muslim zu sein beruht auf zwei Voraussetzungen, (a) dem Glauben an einen personalen (aber geschlechtslosen), transzendenten (aber in der Welt wirksamen) Gott und (b) dem Glauben an seine Offenbarungen in abrahamischer Linie bis auf Muhammad. Muslime glauben an Gott, weil ihnen Seine Existenz angesichts der Existenz der Welt (d. h. ontologisch) und ihrer Bedingtheit (d. h. kausal) evident erscheint, obwohl sie wissen, daß es wissenschaftstheoretisch fragwürdig ist, von sinnlich Erkennbarem auf sinnlich nicht Erkennbares zu schließen [...]" (Seite 29)

"Ein Großteil der einfachen Gläubigen [...] praktiziert einen Monotheismus, bei dem Gott mehr oder weniger mit Jesus identisch ist. Diese anthopomorphische Gottesvorstellung - das Kindlein in der Krippe - kommt dem Bedürfnis entgegen, etwas zu verehren, was sich nicht zu sehr von uns unterscheidet. (Es war dieser Gott, den Nietzsche tötete!) [...] Vor allem im evangelischen Bereich wird Jesus jedoch bis in den Klerus hinein immer weniger als Gott gesehen, sondern als ein Maßstäbe setzender, Nächstenliebe vorlebender, anrührender Mensch, an dem zu orientieren sich lohnt [...]. Jesus gerät so in Gefahr, zum Prototyp des Sozialarbeiters im Rahmen einer Theologie der Misere zu verkümmern." (Seite 45)

Was mir nicht gefiel:

Ich kritisiere, dass behauptet wird, dass das Kopftuch laut einer Minderheit der Gelehrten nicht verpflichtend sei. Das suggeriert für den Leser, dass es da keinen Konsens gäbe, obwohl natürlich darauf aufmerksam gemacht wird, dass die islamische Orthodoxie da deutlich ist bezüglich des Kopftuchs. Im Vorwort von Annemarie Schimmel wird das jedoch einfach so behauptet, dass es keine Pflicht sei.

Außerdem wird ein unauthentischer Hadith erwähnt, wonach der Prophet gesagt habe, man solle nach Wissen streben, selbst wenn man dafür nach China reisen müsse. Erfunden laut Sheikh Albaani in Da’eef al-Jami (906).

Seite 171 des Buches ist meiner Meinung nach polemisch und unnötig...!

Auf Seite 49 wird kritisiert, dass die katholische Kirche einen Absolutheitsanspruch hat. Das finde ich immer so falsch... Das haben Religionen so an sich...!

PS: Murad Hoffmann hat auch ein Buch namens "Der Islam im 3. Jahrtausend" geschrieben, doch das empfehle ich hier nicht, weil ich vieles daran nicht mochte. Es enthält aber dennoch einige gute Sachen - es ist mir aber wichtig, dass ich hinter meinen Empfehlungen stehen kann.


PPS: Noch ein Zitat von ihm von diesem tollen Link hier: www.way-to-allah.com/dokument/tagebuchwilfriedhoffmann.pdf - "Die Vorstellung, man könne durch Opfer Vergebung erkaufen, ist urheidnisch und geht der Entwicklung des Bildes von Gott, dem „Barmherzigen und Gütigen", voraus. Das hindert christliche Interpreten nicht, die Notwendigkeit eines „Opfertodes" von Jesus aus der Mechanik des Opferkultes herzuleiten: Um vergeben zu können (!), brauchte Gott sein Selbst-Opfer. Wer, so frage ich, setzt Gott derartige Bedingungen?"

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